Eine Einbauküche, ein Fluxkompensator und ein Flugzeughangar als Funktionsumfang eines Schweizer Taschenmessers? Ja, und noch viel mehr, wenn man den Rezensionen zu diesem Produkt auf Amazon Glauben schenken darf. Natürlich sind diese Bewertungen offensichtliche Fakes, von den Rezensenten zur allgemeinen Unterhaltung verfasst.
Sie zeigen aber auch: Eine falsche Kundenbewertung auf der größten Online-Handelsplattform zu hinterlassen, ist ohne große Hürden möglich. Laut einer Analyse des Check-Tools Fakespot, das im Jahr 2020 720 Millionen Rezensionen auf amazon.com auswertete, sind 42% aller Bewertungen nicht vertrauenswürdig – also beinahe die Hälfte aller Rezensionen.
Aber nicht nur Amazon, sondern alle Plattformen, die online Bewertungen sammeln, sind von Fake-Bewertungen betroffen: der Play Store genau wie Etsy oder booking.com. Wir klären daher im Folgenden, wie und warum falsche Kundenbewertungen online verfasst werden und woran Sie Fake-Bewertungen erkennen.
Was sind die Beweggründe hinter falschen Kundenbewertungen?
Kundenbewertungen sind das wichtigste Kaufkriterium online. Für knapp 36% der Internetnutzer sind sie das ausschlaggebende Argument in der Kaufentscheidung. Daher lohnt es sich für Unternehmen, Zeit und Geld in die Hand zu nehmen, um niedrige Durchschnittsbewertungen anzuheben oder schlechte Rezensionen in einer Flut positiver Darstellungen untergehen zu lassen.
Der Großteil der falschen Kundenbewertungen dient also der direkten Beeinflussung potenzieller Kunden. Problematisch sind sie deshalb, weil sie den fairen Wettbewerb schädigen und Kunden täuschen. Falsche Bewertungen in Auftrag zu geben, ist also kein Kavaliersdelikt, sondern kann Abmahnungen und Schadensersatzklagen zur Folge haben.
Wer verfasst falsche Kundenbewertungen?
Anfangs waren es oftmals die Unternehmen selbst, die ihren Produkten falsche Bewertungen verpassten. Die Fakes waren häufig deutlich zu erkennen – die Rezensionen klangen wie Werbetexte direkt aus der Marketingabteilung.
Darauf reagierten die Plattformen, indem sie versuchten, allzu offensichtliche Fälschungen zu unterbinden. Grundsätzlich stecken die Online-Händler und Suchmaschinen in der Zwickmühle, dass sie so viele Bewertungen wie möglich einholen wollen. Je mehr Bewertungen sie vorweisen, desto relevanter werden sie für den Nutzer. Ist jedoch ein signifikanter Anteil der Wertungen falsch, untergräbt dies das Vertrauen in den Anbieter.
Es entwickelte sich ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Betrügern und den Plattformen. Letztere setzen auf neue Techniken, um Fakes zu entlarven: Der Online-Händler Amazon etwa prüft mittlerweile mithilfe seiner riesigen Datensammlung, ob der Rezensent an dem bewerteten Produkt beteiligt war oder in einem familiären Verhältnis mit dem Anbieter steht.
Aber auch das Geschäft mit Fake-Bewertungen hat sich professionalisiert. Mittlerweile haben sich Agenturen auf das Verfassen von falschen Kundenbewertungen spezialisiert. Ein sorgsam gepflegtes Geflecht von Fake-Profilen vergibt gegen Bezahlung Bewertungen und schreibt positive Kommentare, die kaum noch von echten Kundenmeinungen zu unterscheiden sind.
Seit Neuestem ist die Thematik nun auch ein Politikum: Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat im Januar 2021 einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Online-Plattformen verpflichten soll offenzulegen, mit welchen Maßnahmen sie falsche Bewertungen verhindern.
Agenturen, die falsche Kundenbewertungen anbieten, sollten Sie unbedingt meiden. Es ist angesichts des technologischen Fortschritts nur eine Frage der Zeit, bis die unseriösen Geschäftspraktiken aufgedeckt werden. Dann droht unter anderem die Löschung aller Bewertungen und Profile, die mit dieser Agentur zusammenhängen.
Wo lauern falsche Bewertungen online?
Die schlechte Nachricht lautet: So gut wie überall im Internet treffen Sie auf manipulierte Bewertungen. Bei Online-Händlern wie Amazon und Ebay, bei Unternehmensbewertungen in der Google-Suche oder bei App-Rezensionen im App Store – überall da, wo uns Bewertungen maßgeblich beeinflussen, gibt es auch Unternehmen, die versuchen, sich einen unfairen Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten zu verschaffen.
Die gute Nachricht lautet: In den meisten Fällen lassen sich unseriöse Bewertungen von seriösen anhand verschiedener Merkmale voneinander unterscheiden.
5 Hinweise auf falsche Kundenbewertungen
Je nachdem, wie viel Aufwand in die Erstellung der Fake-Bewertungen gesteckt wird, sind sie unterschiedlich schwer zu erkennen. Achten Sie auf folgende Anzeichen, dass bei den Bewertungen zu einem Produkt oder einer Dienstleistung nachgeholfen wurde:
1. Ungewöhnlich hohe Anzahl von Bewertungen innerhalb kurzer Zeit
Gibt es in einem bestimmten Zeitraum besonders viele Bewertungen, und die meisten von ihnen sind auch noch allzu positiv? Hier liegt der Verdacht nahe, dass sie keinen seriösen Quellen entstammen.
2. Nur positive und negative, kaum mittelmäßige Bewertungen
Wenn Ihnen auffällt, dass alle Bewertungen eines Produkts ins positive oder negative Extrem tendieren und kaum Zwischentöne existieren, sollten Sie hellhörig werden. Dies könnte darauf hinweisen, dass der Anbieter versucht, einer allzu schlechten Gesamtwertung entgegenzusteuern – oder dass im Gegenteil ein Konkurrent die Gesamtnote verschlechtern will. Generell gilt, dass Sie immer mehrere Bewertungen lesen sollten, um sich eine Meinung zu bilden. Sie können auch ganz gezielt nur Bewertungen anschauen, die weder die beste noch die schlechteste Note vergeben. Bei mittelmäßigen Rezensionen ist die Wahrscheinlichkeit am geringsten, dass Sie in Auftrag gegeben wurden.
3. Bewertungen von anonymen oder neuen Benutzerprofilen
Nicht alle Benutzerprofile, die keine weiteren Rückschlüsse auf die Person dahinter zulassen, sind unseriös. Aber klar ist auch: Es ist aufwendig, zahlreiche Profile mit Informationen und weiteren Rezensionen auszustatten, damit sie unauffällig sind. Verschaffen Sie sich also einen kurzen Überblick über die Nutzer hinter den Rezensionen.
4. Überschwängliche, kritiklose Inhalte
Gekaufte Rezensionen enthalten selten offene Kritik. Aber wann kommt es schon einmal vor, dass Sie mit einem Produkt oder einer Dienstleistung restlos glücklich sind? Und diesem Glück mit einer überschwänglichen Bewertung Ausdruck verleihen? Wenn Sie bedenken, aus welchen Motivationen eine Rezension verfasst wird, ist die bedingungslose Empfehlung sicher eher die Ausnahme als die Regel.
5. Bewertungen auf verschiedenen Portalen vergleichen
Schauen Sie sich auch die Bewertungen auf anderen Plattformen an. Ergibt sich ein stimmiger Gesamteindruck oder weicht das Stimmungsbild voneinander ab?
Check: So überprüfen Sie verdächtige Kundenbewertungen
Wir geben Ihnen drei Möglichkeiten mit auf den Weg, die Ihnen die Unterscheidung zwischen echten und falschen Rezensionen erleichtert:
- Achten Sie auf das Badge für verifizierte Käufe: Wenn die Rezension nachweislich auf einen Kauf hin erfolgt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen echten Kunden handelt. Online-Händler wie Amazon kennzeichnen daher verifizierte Käufe.
- Nutzen Sie Check-Tools für Reviews: Manche Tools haben sich darauf spezialisiert, Fake-Rezensionen zu erkennen. Für Amazon bietet dies etwas das Tool reviewmeta.com an, dessen Algorithmus verdächtige Rezensionen identifiziert und aus der Durchschnittswertung rechnet. Die Algorithmen sehen im Allgemeinen auch nicht mehr als Sie, helfen aber bei vielen Rezensionen, einen Überblick zu gewinnen.
- Auf das Bauchgefühl hören: Wenn Ihnen Ihr Bauchgefühl sagt, dass 500 enthusiastische Bewertungen eines Staubsaugerbeutels zu viel des Guten sind, hören Sie ihm zu! Gefälschte Bewertungen fallen meist entweder in ihrer Anzahl oder ihrer Wortwahl auf, sodass unser Unterbewusstsein Alarm schlägt. Begegnen Sie allzu positiven Bewertungen im Internet immer mit einer gesunden Portion Skepsis!